skip to content

Versorgung neu gestalten und Gesundheit stärken

Buchcover - Innovation Gesundheit - Mehr Wer für die Gesellschaft schaffen

Wie in vielen anderen Ländern auch gerät das österreichische Gesundheitssystem zunehmend unter Druck: Eine alternde Bevölkerung, eine wachsende Zahl chronischer Erkrankungen, der Mangel an Fachkräften und steigende Kosten belasten bestehende Strukturen. Herausforderungen, die sich mit bisherigen Lösungsansätzen nicht bewältigen lassen. Entscheidend sind mutige Reformen und ein klares Verständnis von Gesundheit als Grundlage für Lebensqualität, Wohlstand und eine starke Gesellschaft.

Wo setzen wir an? Welche Maßnahmen braucht es konkret, um unser Gesundheitssystem zukunftsfähig zu machen – und zwar so, dass Patient:innen, Fachkräfte und die gesamte Gesellschaft profitieren? 

Diesen Fragen widmeten sich Expert:innen aus Politik, Wirtschaft und Forschung bei einer Diskussion in der Schweizerischen Botschaft in Wien. In Anlehnung an das Fachbuch „Innovation Gesundheit – Mehr Wert für die Gesellschaft schaffen“ identifizierten sie 4 zentrale Handlungsfelder: 

  1. Digitalisierung

  2. Fokus auf Früherkennung und Prävention

  3. Stärkung der integrierten Versorgung

  4. Investition in Gesundheitsinnovation als strategische Entscheidung

Priorität #1 – Digitalisierung …

Digitalisierung ist ein wichtiger Hebel, um die aktuellen Herausforderungen des Gesundheitssystems zu bewältigen. Digitale Technologien entlasten Personal, steigern die Effizienz und schaffen mehr Zeit für den unverzichtbaren menschlichen Kontakt in der Behandlung und Pflege. Laut Christian Helmenstein, Gründer des Economica Instituts für Wirtschaftsforschung, ließen sich bereits heute bis zu 70 Prozent aller Abläufe in einem Pflegeheim digitalisieren.

… erleichtert den Zugang zur Medizin

Digitale Services wie Videokonsultationen, Telemedizin oder Telemonitoring erleichtern das Management chronischer Erkrankungen, entlasten Praxen und Spitäler und verbessern den Zugang zu medizinischen Leistungen – insbesondere für Menschen in ländlichen Regionen oder mit eingeschränkter Mobilität.

… ermöglicht Datenaustausch

Einen besonderen Mehrwert bieten die digitale Erfassung von Gesundheitsdaten – etwa über eine digitale Patientenakte – sowie der einfache Austausch von Befunden, Röntgenbildern und anderen Informationen. Dadurch können unnötige Doppelbefundungen vermieden, Fehler reduziert, Verwaltungsaufwand verringert und Behandlungen beschleunigt werden. Gleichzeitig erhalten Patient:innen einen besseren Einblick in Befunde und Gesundheitsdaten, können sich besser in die Versorgung einbringen und diese auch aktiver mitgestalten – Stichwort: Eigenverantwortung.

… verbessert Behandlungen

Darüber hinaus ebnet die Digitalisierung den Weg zur Präzisionsmedizin: Die digitale Erfassung, Verarbeitung und Analyse riesiger Mengen an Gesundheitsdaten mithilfe von KI ermöglicht präzisere Diagnosen und maßgeschneiderte Therapien. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass Datensilos überwunden werden und die Daten sektorübergreifend für lebenswichtige und lebensverändernde Forschung zur Verfügung stehen.

… muss umgesetzt werden

Viele Digitalisierungsschritte sind längst definiert – es hapert jedoch an der Umsetzung. „Auf Ankündigungen müssen auch die nötigen Schritte folgen“, fordert Erol Holawatsch, Fachbereichsleiter Gesundheitseinrichtungen der Österreichischen Gesundheitskasse.

Damit die Digitalisierung im Gesundheitsbereich ihr Potenzial entfalten kann, braucht es eine breite Akzeptanz in der Bevölkerung sowie einen niederschwelligen Zugang für alle – Stichwort Gesundheitsgerechtigkeit. Ebenso wichtig ist, dass Ärzt:innen, Pflegekräfte und Patient:innen wissen, wie sie digitale Tools sinnvoll einsetzen. Und nicht zuletzt müssen Fragen der finanziellen Erstattung geklärt sein, damit digitale Gesundheitsleistungen auch tatsächlich in der Versorgung ankommen.

Buchpräsentation: Innovation Gesundheit
©Petra Rautenstrauch

Priorität #2 – Fokus auf Früherkennung und Prävention …

Angesichts der demografischen Entwicklung gewinnen Früherkennung und Prävention zunehmend an Bedeutung. Ihr Nutzen reicht weit über die individuelle Gesundheit hinaus: Weniger Erkrankungen bedeuten weniger Krankenständen, einen geringeren Pflegebedarf, eine höhere Produktivität und damit mehr Wohlstand. „Die Gesundheitspolitik in Österreich hat konkrete Ziele definiert, gibt es genug Strategie- und Policy-Papiere, es braucht jetzt eine konsequente Umsetzung,“ fasst Anita Rieder zusammen.

… vermeidet Erkrankungen

70 Prozent der nichtübertragbaren Krankheiten wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs oder Diabetes wären durch bessere Früherkennungs- und Präventionsmaßnahmen sowie einen rechtzeitigen Zugang zu Medikamenten vermeidbar. Risikostratifizierte Screenings, KI-gestützte Analysen und Präzisionsmedizin helfen dabei, individuelle Risiken früher zu erkennen und zielgerichtete Maßnahmen zu ergreifen. „Vordringliches Ziel ist, dass innovative Verbesserungen frühzeitig bei Betroffenen ankommen“, betont Oliver Bleck, Area Head Europe South bei Roche Pharma International.

… stärkt Patient:innen

Ein stärkerer Fokus auf Früherkennung und Prävention erfordert zugleich eine Stärkung der Gesundheitskompetenz der Bevölkerung. Menschen müssen dazu befähigt werden, sich um ihre eigene Gesundheit zu kümmern, sich durch Vorsorgemaßnahmen und daraus abgeleiteten Maßnahmen im Gesundheitssystem zurechtzufinden und bewusste, gesunde Entscheidungen zu treffen.

Priorität #3 – Stärkung der integrierten Versorgung …

Eine zukunftsfähige Gesundheitsversorgung setzt eine starke integrierte Versorgung zwischen multiprofessionellen Teams, Organisationen und Ebenen voraus. Die Primärversorgung ist Dreh- und Angelpunkt für eine effektive Versorgung und Steuerung von Patient:innen. Dabei nehmen Hausärzt:innen eine Schlüsselrolle als erste Anlaufstelle ein. Als Versorgungsmodell erster Wahl gelten Primärversorgungseinheiten, in denen multiprofessionelle Teams zusammenarbeiten. Sie ermöglichen längere Öffnungszeiten und ein breiteres Leistungsangebot als Einzelordinationen. „Entscheidend ist, nicht nur den klinischen, sondern auch den individuellen Nutzen für Patient:innen im Blick zu behalten“, sagt Evelyn Holley-Spieß, Co-Herausgeberin der Publikation.

… erfordert neue Vergütungsmodelle

Ein weiteres Zukunftsthema in der Primärversorgung ist ihre Honorierung. Hier gibt es große Unterschiede zwischen den Versorgungsmodellen. Expert:innen fordern eine Abkehr von volumenbasierter Vergütung, um den finanziellen Druck für Ärzt:innen zu mindern und die Gesundheit der Menschen stärker in den Mittelpunkt zu stellen.

Alexander Mülhaupt bei Buchpräsentation "Innovation Gesundheit"
©Petra Rautenstrauch

Priorität #4 – Investition in Gesundheitsinnovation als strategische Entscheidung

Um Innovation im Gesundheitsbereich anzutreiben, braucht es ein grundlegendes Umdenken: „Investition in Gesundheit muss als zentrale strategische Entscheidung begriffen werden, nicht als reiner Kostenfaktor. Dazu braucht es ein Bewusstsein über den wahren Wert von Gesundheitsinnovationen, der sich nicht nur in längeren und besseren Lebensjahren, sondern auch in der Reduktion sozioökonomischer Kosten zeigt“, sagt Alexander Mülhaupt, Geschäftsführer der Roche Austria GmbH und Herausgeber des Fachbuchs „Innovation Gesundheit – Mehr Wert für die Gesellschaft schaffen“.

… fördert medizinischen Fortschritt

Viele der heutigen medizinischen Errungenschaften sind das Ergebnis konsequenter Investitionen in Forschung und Entwicklung: Komplexe Biologika, die neue Standards in der Krebs- und Autoimmuntherapie gesetzt haben, wären ohne Investitionen in die Antikörper-Technologie und Diagnostik undenkbar. Gleiches gilt für zielgerichtete Therapien in der Onkologie und in der Behandlung von Multiple Sklerose, die auf intensive Forschung in der Genomik zurückgehen. Und heute eröffnet die Nutzung von Real-World-Data das Tor zu Gentransfer-Therapien.

… entlastet die Wirtschaft

Die transformative Kraft innovativer Therapien ist weitreichend: Menschen können am gesellschaftlichen Leben teilhaben, länger im Beruf bleiben und benötigen weniger Pflege. Der Wert liegt daher nicht nur im individuellen Behandlungserfolg, sondern auch in eingesparten Krankheits- und Pflegekosten und im Erhalt der gesellschaftlichen Produktivität. Dieser Wert lässt sich anhand etlicher Beispiele zeigen, hier nur zwei davon: 

  • Multiple Sklerose (MS): Eine frühzeitige Behandlung mit modernen Medikamenten kann das Fortschreiten der Erkrankung verlangsamen und Invalidität deutlich reduzieren. Patient:innen profitieren von mehr Lebensqualität, sozialer und beruflicher Teilhabe – ein Gewinn, der gleichzeitig auch die Wirtschaft entlastet. Allein in Österreich verursacht MS jährlich Kosten von rund 565 Millionen US-Dollar.

  • Brustkrebs: Innovative Therapien haben die Fünf-Jahres-Überlebensrate massiv verbessert. Die gewonnenen Lebensjahre bringen nicht nur Patient:innen und ihren Familien Stabilität und Perspektive, sondern erhalten auch wertvolle Arbeitskraft im Wirtschaftssystem.

Gesundheitsinnovationen zahlen sich also mehrfach aus – für Patient:innen, die Wirtschaft und die Gesellschaft.

Fazit: Gesundheit bedeutet viel mehr als individuelle Lebensqualität. Sie ist die Basis für Wohlstand und eine resiliente Gesellschaft. Eine gute Gesundheitsversorgung hat deshalb einen hohen sozioökonomischen Wert. Dieses Verständnis schafft die Basis für ein Mindset, das Investitionen in Gesundheit als strategische Zukunftsentscheidung begreift und nicht bloß als Kostenfaktor.

Der Inhalt des Beitrags stützt sich auf die Veranstaltung in der Schweizerischen Botschaft in Wien zur Präsentation des Fachbuchs „Innovation Gesundheit – Mehr Wert für die Gesellschaft schaffen“, welches im AMPULS Verlag erschienen ist.

[1] The Value of Investing in Innovative Medicines: Socioeconomic Burden and Annual Social Impact of Roche Treatments for HER2+ Breast Cancer , Multiple Sclerosis and Retinal Disease, Wifor Institute, 2024 zur Studie zum Method Paper