Daher müssen wir kontinuierlich forschen, um festzustellen und einzuschätzen, welchen Einfluss und welche Wirkung eine neue Krebstherapie auf das Leben von Patient:innen hat, die von dieser Krankheit betroffen sind.
Der positive Einfluss, den innovative Arzneimittel auf den Krankheitsverlauf von Patient:innen haben, zeigt uns, wie wichtig es ist, die Forschung und Entwicklung von lebensrettenden Medikamenten voran zu treiben. Er stellt uns aber gleichzeitig vor große Herausforderungen, wenn wir weiterhin anhand klassischer Studien-Endpunkte (zb. Überleben) messen. Diese Herausforderung hat Wissenschaftler:innen ermutigt, nach alternativen Messgrößen zu suchen, um den Nutzen eines Medikaments zu evaluieren.
Für schwerwiegende und lebensbedrohliche Krankheiten wie Krebs könnte es helfen, die Medikamenten-Entwicklung und Zulassung zu beschleunigen, indem man klassische Studien-Endpunkte mit anderen effizienten Messgrößen kombiniert.
Bisher haben wir die Wirksamkeit einer Krebs-Therapie anhand des Gesamtüberlebens (Overall Survival, OS) und des progressionsfreien Überlebens (Progression-free Survival, PFS) gemessen.
Obwohl diese Parameter in großen klinischen Studien in späten Entwicklungsphasen weiterhin von großer Bedeutung sind, werden nun explorative Endpunkte hinzugefügt, um im Sinne einer Nutzen-Risiko-Bewertung ein besseres Gesamtbild der Therapie zu erhalten, und so den Zugang zu innovativen Arzneimitteln zu beschleunigen.
Das Gesamtüberleben (Overall Survival, OS) misst, wie lange Studienpatient:innen leben, üblicherweise beginnend mit dem Start der Therapie, wobei in der Studie zwei oder mehr Behandlungen miteinander verglichen werden.
Beim Gesamtüberleben handelt es sich um eine valide robuste klinische Messgröße. Je höher das Gesamtüberleben, desto mehr Zeit haben Patient:innen für Familie, Freunde und die nächsten wichtigen Meilensteine im Leben.
Das progressionsfreie Überleben (Progression-free Survival, PFS) misst, wie lange eine Person lebt, ohne dass sich die Krankheit bis zu einem gewissen Grad verschlechtert. Das Fortschreiten der Krankheit macht sich zum Beispiel durch Tumorwachstum bemerkbar, durch das Auftauchen neuer Läsionen, und/oder auch durch den Todesfälle von Patient:innen.
Für eine an Krebs erkrankte Person könnte ein Anstieg des PFS beispielsweise verzögerte Symptome, verringerte Angst und Unsicherheit im Zusammenhang mit dem Fortschreiten der Erkrankung sowie eine daraus resultierende Steigerung der Lebensqualität bedeuten.
Krankheits- oder relapsfreies Überleben (Disease-free Survival (DFS), Relapse-free Survival (RFS)) repräsentiert die Zeitdauer, die eine Person nach einer abgeschlossenen Behandlung in einem frühen Krankheitsstadium ohne Symptome oder ohne ein Wiederauftreten der Erkrankung lebt.
Diese Daten erlauben im Vergleich zum Gesamtüberleben eine sehr viel schnellere Einschätzung der Heilungsrate - dem Ziel jeder Behandlung bei einer frühzeitig diagnostizierten Erkrankung.
Lange haben wir angenommen, dass die Ansprechrate und die Dauer des Ansprechens in direktem Zusammenhang mit der Anti-Tumor-Aktivität einer Therapie darstellen. Wir neigen dazu, diese in frühen und/oder kleinen klinischen Studien als primäre Endpunkte zu verwenden, oder als sekundäre Endpunkte bei größeren Studien. Die positiven Ergebnisse dieser Studien könnten möglicherweise helfen, Zulassungen zu beschleunigen.
Jede Person kann unterschiedlich auf eine Behandlung ansprechen, aber diese Endpunkte können beispielsweise ein Hinweis sein, ob eine Therapie einem Patienten/einer Patientin weitere Monate oder Jahre schenken kann.
Die Ansprechrate ist der Prozentsatz der Patient:innen, deren Tumor dank einer Behandlung über einen gewissen Grad hinaus schrumpft. Ähnlich wie beim krankheitsfreien Überleben (PFS) könnte dies bedeuten, dass die an Krebs erkrankten Patient:innen weniger Symptome, wie sie beim Fortschreiten der Krankheit auftreten, verspüren.
Die komplette Remission bedeutet, dass ein Tumor nach einer Behandlung vollständig verschwunden ist. In Tests und auf Scans sind keine Anzeichen der Krebserkrankung mehr sichtbar.
Die Dauer des Ansprechens ist die Zeitspanne, in der ein Tumor kontinuierlich auf eine Behandlung anspricht - gemessen von der ersten Dokumentation einer Verbesserung bis zur erneuten Verschlechterung der Krankheit.
Fortschritte bei den onkologischen Therapien erfordern auch neue oder adaptierte Endpunkte, um die Wirksamkeit noch akkurater und effizienter beurteilen zu können, vor allem in spezifischen Settings wie frühen Krankheitsstadien, Blutkrebs, oder neuen Therapien wie der Immuntherapie. Diese “neuen” Endpunkte lassen sich gut mit den “klassischen” Endpunkten kombinieren.
Die pathologische Komplettremission wird bei klinischen Studien in frühen Krankheitsstadien verwendet, um die Wirksamkeit einer Behandlung vor einem chirurgischen Eingriff zu messen (= neoadjuvante Behandlung) - diese Messgröße lässt sich schneller feststellen als das progressionsfreie Überleben (PFS) oder das Gesamtüberleben (OS). Wird eine pCR erreicht bedeutet das, dass zur Zeit der Operation keine Krebszellen mehr nachweisbar sind, und prognostiziert in vielen Fällen, dass die Erkrankung nicht wieder auftreten wird.
Wenn man solide Tumore mit Immuntherapie behandelt, lassen sich manchmal unkonventionelle Reaktionsmuster beobachten, die sich nicht nach den klassischen Kriterien für das Ansprechen beurteilen lassen. Immun-bedingte Ansprechkriterien (iRECIST) stellen keinen Endpunkt dar, sondern sind überarbeitete Beurteilungskriterien, um für die sichtbare Größenzunahme, die entsteht wenn Immunzellen in den Tumor eindringen, zu kompensieren (Pseudoprogression).
Die minimale Resterkrankung (Minimal residual disease, MRD) ist eine Messgröße für die Qualität des Ansprechens auf eine Behandlung bei Blutkrebs. Sie kann bereits frühzeitig ein Indikator für das progressionsfreie Überleben sein und hat damit das Potential, die Arzneimittelentwicklung bei langsam fortschreitenden Blutkrebserkrankungen zu beschleunigen. Mit Hilfe neuer, hoch sensitiver Technologien gelingt es mittlerweile, Spuren von bestimmten Blutkrebsarten zu messen, die mittels traditioneller Testmethoden möglicherweise nicht entdeckt werden würden.
Die Wirksamkeit einer neuen Therapie und deren Auswirkungen, die diese auf das Leben bzw. den Alltag der Patient:innen hat, müssen ausgewogen sein. Das Sicherheitsprofil eines Medikaments und seine Überwachung sind unverzichtbare Bestandteile seiner Entwicklung.
Damit eine Therapie als erfolgreich gilt, müssen die positiven Auswirkungen gegenüber den Nebenwirkungen überwiegen. Das Monitoring der Nebenwirkungen - und somit das Sicherheitsprofil - stellt daher einen wesentlichen Bestandteil in der Entwicklung eines neuen Medikaments dar.
Ein Therapieabbruch ist oft die Konsequenz einer Toxizität, belastender Nebenwirkungen, oder findet aufgrund der Entscheidung des Prüfarztes statt. Die Abbruchrate ist zwar keine direkte Messgröße für die Effektivität einer Behandlung, jedoch kann eine niedrige Therapie-Abbruchrate Aufschluss darüber geben, ob sich eine Therapie positiv auf die Lebensqualität der Patient:innen auswirkt.
Zusätzlich zu den Sicherheits- oder Nebenwirkungsdaten, die während klinischer Studien gesammelt werden, zielen weitere, zusätzliche Endpunkte darauf ab, ein umfassenderes Bild der Auswirkungen einer Therapie auf Patient:innen zu bekommen. Die Beurteilung der Lebensqualität bedeutet etwa, die Auswirkungen der Sicherheit und Verträglichkeit im Alltagsleben, oder auch die Symptomverbesserung zu messen.
“Was für Nebenwirkungen wird es geben? Werde ich die ganze Zeit müde sein? Wie wird sich diese Therapie auf meinen Alltag auswirken?” Diese und ähnliche Fragen gewinnen zunehmend an Bedeutung und die Symptomverbesserung wird als direkter klinischer Benefit und geeigneter Endpunkt für die Arzneimittelzulassung angesehen.
Diese Endpunkte werden als Patient Reported Outcomes (PROs) bezeichnet und es handelt sich dabei um die eigene Einschätzung des Patienten/der Patientin bezüglich seines/ihres Gesundheitszustandes und seiner/ihrer Lebensqualität im Rahmen einer klinischen Studie. Es gibt einige Kategorien von PROs:
Man geht davon aus, dass die Lebensqualität direkt mit der emotionalen und physischen Gesundheit von Patient:innen verbunden ist. Diese basiert oftmals auf der eigenen Wahrnehmung.
Für Patient:innen könnte dies bedeuten, dass sie in der Lage sind, ihre täglichen Aufgaben und Aktivitäten in besserer geistiger oder körperlicher Verfassung durchzuführen.
Diese PRO Daten werden mittels Fragebögen gesammelt, die erheben sollen, wie Symptome das tägliche Leben, generelle Aktivität, Stimmung, Beziehungen und die allgemeine Lebensfreude beeinträchtigen. Nicht zu müde zu sein, um einen kurzen Spaziergang zu machen, die eigenen Kinder abzuholen oder andere tägliche Aufgaben zu erledigen, kann eine bedeutende Auswirkung haben.
Während bei klinischen Daten die Häufigkeit und Schwere von Nebenwirkungen im Mittelpunkt stehen, sollen PRO Daten darüber Auskunft geben, wie Nebenwirkungen wie Übelkeit, Müdigkeit und Schmerzen das tägliche Leben von Patienten beeinträchtigen. Je weniger häufig und unangenehm diese Nebenwirkungen sind,umso erträglicher wird eine Therapie.