Präeklampsie: Ersttrimester-Screening & Prohylaxe mit Acetylsalicylsäure

Unter einer Präeklampsie (PE) versteht man den Systemkomplex eines neu auftretenden Bluthochdrucks (≥140/90 mmHG) in Verbindung mit einer Proteinurie (≥300 mg Eiweiß im 24 h Urin) nach der vollendeten 20. Schwangerschaftswoche (SSW).1 Die Höhe der Hypertonie und die Proteinmenge im Urin stehen in keinem direkten Zusammenhang zu den klinischen Symptomen, und das Ausmaß der teilweise sehr schwer-wiegenden Komplikationen lässt sich davon nicht ableiten.

Speziell die Proteinurie ist bei einer PE oft wenig aussagekräftig und bereits 2013 wurde vom American College of Obstetricians and Gynecologists (ACOG) beschlossen, dass auch in Abwesenheit einer Proteinurie eine PE vorliegen kann, wenn zumindest eines der nachfolgenden Symptome zusätzlich zur Hypertonie vorhanden ist: Thrombozytopenie, Nierenversagen, beeinträchtigte Leberfunktion, Lungenödem oder zerebrale/visuelle Symptome.2 Aufgrund der teilweise desaströsen Komplikationen einer PE ist diese nach wie vor eine der Hauptursachen für mütterliche und kindliche Sterblichkeit und Morbidität. Weltweit sind ca. 3-5% aller Schwangerschaften von einer PE betroffen.3 Gleichzeitig entwickelt aber 1 von 10 Schwangeren Zeichen und Symptome einer PE.4 Dies führt in vielen Fällen zu unnötigen Hospitalisierungen und Verunsicherung bei den betroffenen Patientinnen.

Die Entstehung einer PE ist noch nicht vollends geklärt. Ein Ungleichgewicht zwischen pro- und antiangiogenen Faktoren, mangelnde Thropho-blasteninvasion und ein unzureichender Umbau der Spiralarterien können zu einer verminderten Durchblutung der Plazenta führen.5 Bereits am Ende des ersten Schwangerschaftsdrittels kann daher im Rahmen des Ersttrimester-Screenings (SSW 11-13) durch eine Kombination aus mütterlichen Risikofaktoren und unterschiedlichen Biomarkern das Risiko, ob sich später in der Schwangerschaft eine PE entwickeln könnte, abgeschätzt werden. Die Biomarker beinhalten eine Blutflussmessung mittels Doppler Ultraschall zur Bestimmung des Widerstandsindex der Arteria uterinae (UTPI, Uterine Artery Pulsatility Index), die Messung des mittleren mütterlichen Blutdrucks (MAP, Mean Arterial Pressure) sowie eine Quantifizierung des plazentaren Wachstumsfaktors PlGF (placental growth factor).6 Dieser von der Fetal Medicine Foundation (FMF) in London entwickelte Algorithmus erwies sich in der Risikovorhersage als deutlich zuverlässiger als die bisherige Einteilung aufgrund der medizinischen Vorgeschichte entsprechend der gültigen NICE (National Institute for Health and Clinical Excellence, UK) und ACOG Empfehlungen (USA).7 Mit der Screeningkombination aus mütterlichen Risikofaktoren (z.B. Alter, Gewicht, Krankengeschichte) und  dem Tripeltest bestehend aus UTPI, MAP und PlGF konnten 75% aller frühen PE-Fälle (PE <37. SSW) und 47% aller späten PE-Fälle (PE >37. SSW), bei einer Falsch-positiv-Rate (FPR) von 10%, identifiziert werden [Tab. 1].6 Durch die Hinzunahme eines weiteren Parameters, dem schwangerschafts-assoziier-ten Plasma Protein A (PAPP-A), konnten 48% der späten PE-Fälle detektiert werden, allerdings führte es zu keiner Steigerung in der Entde-ckungsrate der frühen PE (75%). Tabelle 1 zeigt die prozentualen Detektionsraten für die frühe und späte PE für die Einzelparameter und bei unterschiedlichen Kombinationen aus diesen.6

In der Stellungnahme „Allgemeine Information Ultraschall in der Schwangerschaft“ der OEGGG (Österreichischen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe) und ÖGUM (Österreichische Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin) vom Januar 2018 wird auf die Möglichkeit des PE-Screenings im Rahmen des Ersttrimester-Screenings (SSW 11+0 bis 13+6) hingewiesen.5

 

Im Laufe der letzten Jahrzehnte war niedrig-dosierte Acetylsalicylsäure (Aspirin®) immer wieder als Präventivmedikation gegen PE im Gespräch. Bereits 1985 wurden erste Daten dazu publiziert und über die Jahre kamen etliche weitere dazu.9,10 Allerdings wurden auch widersprüchliche Studien veröffentlicht, in denen kein signifikanter Unterschied zur Placebo-Gabe festgestellt werden konnte.11 Empfehlungen zur prophylaktischen Gabe von Acetylsalicylsäure existieren u.a. in den USA, Großbritannien, Deutschland und Österreich, allerdings ist man sich international sowohl bei der Patientenauswahl als auch der richtigen Dosierung noch nicht einig.1,2,12 Nun wurde in einer großen, multizentrischen, doppelblinden, Pla-cebo-kontrollierten Studie, der sogenannten ASPRE Studie, bewiesen, dass die tägliche, abendliche Einnahme von 150 mg Aspirin® die Inzidenz der frühen, schweren PE (<37. SSW) wesentlich senken kann.13 An der Studie nahmen 1776 Frauen teil, die mit dem vorher beschriebenen FMF Algorithmus als Hochrisikogruppe für PE eingestuft wurden. Sie erhielten beginnend in der 11.- 14. SSW bis zur 36. SSW entweder 150 mg Aspirin® oder Placebo. Untersucht wurde das Auftreten einer PE mit einer Geburt mit vor der 37. SSW. Dies war bei 13 von 798 Frauen in der Aspirin®-Gruppe (1,6%) und bei 35 von 822 Frauen (4,3%) in der Placebo-Gruppe der Fall (156 Frauen verweigerten die Auswertung ihrer Daten oder erschienen nicht mehr zur Nachfolgeuntersuchung). Dies entspricht einer Risikoreduktion von 62%.13  In Anbetracht dieser hervor-ragenden Ergebnisse sollte man aber nicht außer Acht lassen, dass trotz Aspirin®-Gabe nach wie vor eine PE auf-treten kann. Auch das Auftreten der späten PE (>37. SSW) kann damit nicht signifikant vermindert werden. Ein weiterer Punkt ist, dass Aspirin® nur an Schwangere mit einem hohen Risiko (>1 in 100) für eine frühe PE (<37. SSW) verabreicht wird. Die Mehrheit aller Schwangerschaften weist kein erhöhtes Risiko auf (z.B. 89% aller gescreenten Frauen in der ASPRE Studie).13 Trotzdem kann es auch in dieser Gruppe zu einer PE kommen.

Ab der 20. SSW kann hier der Quotient aus dem anti-angiogenen Faktor sFlt-1 („soluble tyrosine kinase 1“) und PlGF wertvolle Hilfe leisten.14 In der Hochrisikogruppe kann er zur Kontrolle und Beruhigung der Schwangeren herangezogen werden, da eine Ratio ≤38, unabhängig von der SSW, die Entwicklung einer PE innerhalb von einer Woche mit einem negativ prädiktiven Wert (NPW) von 99,3% ausschließt.15 Bei Anzeichen und Symptomen auf eine PE hilft die Bestimmung des Quotienten, das Risiko für das zeitnahe Auftreten einer PE besser einzuschätzen: auch hier gilt der Ausschluss Cutoff von ≤38 (NPW 99,3%) für eine Woche. Bei einem Wert >85 in der frühen Gestationsphase (GP; bis SSW 33+6) und >110 in der späten GP (ab SSW 34) ist davon auszugehen, dass die Patientin eine PE hat (Spezifität: frühe GP 99,5%; späte GP 95,5%). Bei einem Wert zwischen 38 und 85 (frühe GP) bzw. 110 (späte GP) besteht hingegen ein erhöhtes Risiko, in den nächsten 4 Wochen eine PE zu entwickeln (positiv-prädiktiver Wert (PPW) von 36,7%).15,16

Da die Entbindung die einzige mögliche Therapie einer PE darstellt, ist eine frühe und präzise Identifizierung von Patientinnen mit erhöhtem Risiko von höchster Wichtigkeit. Eine verbesserte Vorhersage kann durch das PE-Screening im Zuge des Ersttrimester-Screenings sowie durch die Messung der angiogenen Faktoren sFlt-1 und PlGF ab SSW 20+0 erreicht werden.

Abkürzungen

FMF: Fetal Medicine Foundation; FPR: falsch positiv Rate; GP: Gestationsphase; MAP: Mean Arterial Pressure (mittlerer, mütterlicher Blutdruck); NPW: negativ prädiktiver Wert; OEGGG: Österreichische Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe; ÖGUM: Österreichische Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin; PPW: positiv prädiktiver Wert; PAPP-A: pregnancy associated plasma protein A (Schwangerschafts-assoziiertes Plasmaprotein A); PE: Präeklampsie; PlGF: placental growth factor (plazentarer Wachstumsfaktor); SSW: Schwangerschaftswoche; UTPI: Uterine Artery Pulsatility Index (Pulsatilitätsindex der Arteria uterinae)

Referenzen 

1. National Institute for Health and Clinical Excellence (NICE) (2011) Hypertension in pregnancy. NICE clinical guideline 107, August 2010, revised reprint January 2011, London: RCOG Press 
2. ACOG (American College of Obstetricians and Gynecologists) taskforce on hypertension in Pregnancy (2013) Obstet Gynecol 122(5):1122-31
3. Chaiworapongsa, T., Chaemsaithong, P., Yeo, L., Romero, R. (2014) Nat Rev Nephrol 10(8), 466-80
4. Milne, F., et al. (2009) BMJ 2009 Sep 9;339:b3129
5. Verlohren, S., Stepan, H., Dechend, R. (2012) Clin Sci 122(2), 43-52
6. O’Gorman, N., et al. (2016) Am J Obstet Gynecol 214;103.e1-12
7. O’Gorman, N. et al. (2017) Ultrasound Obstet Gynecol 49: 756–760
8. Stellungnahme OEGGG/ÖGUM (aktualisierte Fassung 2018): Allgemeine Information Ultraschall in der Schwangerschaft. https://www.oeggg.at/leitlinien-stellungnahmen/geburtshilfe/
9. Beaufils, M., et al. (1985) Lancet 1:840
10. Roberge, S., et a. (2017) Am J Obstet Gynecol 216,2 :110-120.e6
11. Yu, C.K., et al. (2003) Ultrasound Obstet Gynecol 22:233-9
12. S1-Leitlinie: Diagnostik und Therapie hypertensiver Schwangerschaftserkrankungen, AWMF 015/018 – aktueller Stand: 12/2013. http://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/015-018.html
13. Rolnik, D.L., et al. (2017) N Engl J Med. 377(7):613-622
14. Verlohren, S., et al. (2010) Am J Obstet Gynecol 202(2), 161.e1-161.e11.
15. Zeisler, H., et al. (2016) N Engl J Med 374:13-22.
16. Verlohren, S., et al. (2014) Hypertension 63(2), 346-352.